Hallo, ich heiße Oliver und bin ein Language Specialist für das Gengo-Sprachenpaar EN-DE. Ich möchte über die nächsten Monate in lockerer Folge auf Dinge eingehen, die mir bei GoCheck-Überprüfungen auffallen. Ich hoffe, damit Anregungen und Hilfestellungen bieten zu können.
Die bisherigen Artikel in dieser Reihe:
Teil 1 – Einige grundsätzliche Aspekte des Übersetzens
Teil 2 – Kleinigkeiten mit großer Wirkung
Teil 3 – Die Suche nach dem Sinn
Teil 4 – Von Punkten und Strichen
Teil 5 – Ungleiche Geschwister
Teil 6 – Englisch, Deutsch und Fachchinesisch
Teil 7 – Eine Frage des Gefühls
Teil 8 – Wie konnte das passieren?
Teil 10 – Ein Blick in Nachbars Garten
In diesem elften Teil nun möchte ich ein recht unauffälliges und daher auch wenig beachtetes Phänomen ansprechen, das sich nicht nur in unseren Übersetzungen gelegentlich beobachten lässt, sondern bei genauerem Hinschauen in zahlreichen Texten, mit denen wir täglich konfrontiert werden.
Als Übersetzer sieht man sich ständig vor der Aufgabe, die eigene Voreingenommenheit hinsichtlich Wortschatz, Sprachgebrauch und Kontextwissen zu hinterfragen und ihr entgegenzuwirken. Die Neigung, den eigenen Ausgangspunkt als selbstverständlich zu betrachten, wohnt mehr oder weniger stark ausgeprägt allen Menschen inne. Doch ein Ausdruck, der einem selbst so vertraut ist, dass man seine Allgemeinverständlichkeit und Korrektheit einfach als gegeben nimmt, ist unter Umständen keineswegs so geläufig oder richtig. Ein etwas plakatives Beispiel kann diesen Effekt verdeutlichen:
EN-Ausgangstext: HexMat 14 PC Set
DE-Übersetzung: HexMat 14 PC Set
Korrektur: 14-teiliges HexMat-Set
Wenn man häufig online kauft, stellen Produktbeschreibungen, in denen bestimmte Elemente gar nicht erst übersetzt wurden, einen völlig gewohnten Anblick dar. Für viele erfüllen diese meist auf Englisch belassenen Versatzstücke die Funktion von "internationalen" Kommunikationsbausteinen, von denen angenommen wird, dass sie ähnlich wie Piktogramme weltweit verstanden werden, ohne dass sie der individuellen Erläuterung oder Übersetzung bedürfen. Aber das ist eine Täuschung, die aus der eigenen Perspektive erwächst. Wenn dann ein Übersetzer diese Grundidee auch in seine Arbeit einfließen lässt, können dabei Ergebnisse wie dieses herauskommen, das nicht alleine syntaktisch inkorrekt ist, sondern vor allem auch davon ausgeht, dass jeder Leser weiß, was "PC" hier bedeuten soll. Aber das ist keineswegs der Fall.
Ähnlich verhält es sich bei diesem Beispiel:
EN-Ausgangstext: 1 tsp cinnamon
DE-Übersetzung: 1 tsp Zimt
Korrektur: 1 TL Zimt
Rezepte werden im Internet und in sozialen Medien weltweit verbreitet, teilweise mit erstaunlicher Breitenwirkung. Da ein erheblicher Teil dieser Rezepte aus dem englischen Sprachraum stammt, sind für onlineorientierte Koch- und Backaffine die dort üblichen Kürzel der gängigen Mengenangaben ein so normaler Anblick, dass sie gar nicht mehr als Abkürzungen von Fremdwörtern wahrgenommen werden; es liegt dann nah, sie irrtümlich auch nicht mehr als Element zu erkennen, das übersetzt werden muss.
Zum Abschluss noch ein Beispiel, das illustriert, wie sich fälschlich übernommene Elemente auf dem Umweg über spezifische Themenkreise einschleichen und ausbreiten können:
EN-Ausgangstext: 300K+ Customers
DE-Übersetzung: Über 300K Kunden
Korrektur: Über 300.000 Kunden
Die Darstellung von Tausenderzahlen durch ein angefügtes "K" ist in englischen Texten häufig anzutreffen. Nun ist "k" tatsächlich die Abkürzung für "Kilo-", also für tausend. Aber im Deutschen wird dieses Kürzel stets klein geschrieben, zudem müsste wie in allen vergleichbaren Fällen ein Leerzeichen zwischen Zahl und Einheitenzeichen gesetzt werden. Doch selbst "300 k" wäre nicht sinnvoll – im Deutschen diese Schreibweise von Tausenderzahlen einfach nicht korrekt. Akzeptabel wäre eventuell noch "300 Tsd." – aber das bietet hinsichtlich des Schreibaufwands oder der Übersichtlichkeit keinerlei Vorteil gegenüber der zweifelsfrei richtigen Schreibweise "300.000". Mittlerweile hat das englische Tausender-K insbesondere über online verbreitete Texte zu Finanz- und Wirtschaftsthemen im deutschsprachigen Raum eine gewisse Verbreitung erfahren und fällt vielen nicht als Fremdkörper auf. Aber richtig ist es deswegen durchaus noch nicht.
Man sieht, wie leicht man durch den eigenen Blickwinkel unversehens zu solchen kleinen Fehlgriffen gelangen kann, die beim Leser vielleicht für Ratlosigkeit sorgen. Und neben möglichen Verständnisschwierigkeiten besteht ja auch immer die Gefahr, dass sich eine fälschlich und unreflektiert direkt übernommene Schreibweise oder Ausdrucksform – selbst wenn es sich nur um ein Detail handelt – negativ auf die Art auswirkt, wie ein Text wahrgenommen wird. Es hilft daher, sich beim Übersetzen gelegentlich zu fragen, ob Elemente der anderen Sprache, die man selbst aufgrund der eigenen Erfahrungswelt als längst ins Deutsche übernommen empfindet, tatsächlich so weit verbreitet oder akzeptiert sind. Vergessen wir nie, dass der eigene Blickwinkel nicht zwangsläufig auch der allgemeingültige ist, selbst wenn uns das so erscheinen mag.
Ich hoffe, diese Überlegungen erweisen sich als hilfreich oder anregend – und Kommentare sind mir natürlich sehr willkommen.
8件のコメント
Hallo Oliver,
vielen Dank für den mal wieder sehr interessanten Artikel.
Bei den Volumenangaben in Rezepten war ich mir immer ein wenig unsicher, weil die englischen Einheiten ja oft genau definierte Mengen sind (also nicht irgendeinem Teelöffel oder irgendeiner Tasse sondern offiziell exakt so und so viel mL entsprechen). Meistens dürfte das egal sein, aber genau deckungsgleich ist eine Übersetzung eigentlich nicht.
Hallo Chris!
Da hast du natürlich Recht - wenn in US-Rezepten tablespoons, cups und teaspoons als Mengenangaben auftauchen, sind damit genormte Mengenangaben gemeint (die dann üblicherweise irgendwelchen extrem garstigen Bruchzahlen-Mengen in US-Einheiten entsprechen, wie etwa 5/8 Unzen oder ähnlich Abenteuerliches). Präzise entsprechen sie den Esslöffeln, Tassen und Teelöffeln nicht. Aber die genau umgerechneten Mengen in Gramm oder Millilitern anzugeben, ist wohl auch nicht zielführend: Wer würde schon 5,9 Gramm Backpulver abwiegen? Ich denke, da ist es doch realitätsnäher, auf den vertrauten Teelöffel zurückgreifen. Das wird schon funktionieren - und schließlich ist Kochen ja keine kalte Wissenschaft, die auf seelenloser Exaktheit beruht, sondern eine Kunst, bei der Inspiration, Hingabe und Kreativität viel, viel wichtiger sind.
Ja, definitiv! Und jetzt haben wir ja auch ein Beispiel, an das wir uns halten können.
Ich sehe, du verwendest Punkte als Tausendertrennzeichen. Ist das laut gängiger Lehrmeinung also korrekt?
Ich gestehe, dass ich mich mit dem Punkt einer Regelbeugung (oder, freundlicher ausgedrückt, einer großzügigen Regelauslegung) schuldig mache. Der Duden, der ja unsere Primärquelle für Regeln ist, sagt hierzu:
Ganze Zahlen mit 5 oder mehr Ziffern können von der Endziffer aus durch Zwischenräume in dreistellige Gruppen gegliedert werden.
Ich lese das mit Betonung auf können - so dass der Punkt nicht kategorisch untersagt wird. Aber ich bin mir bewusst, dass ich damit den Sinn der Aussage aus Erwägungen des Stils und der Lesbarkeit ein wenig dehne. Der Punkt als herkömmliches (sprich: altes) Tausendertrennzeichen im Deutschen (mit Ausnahme der Schweiz, wo ein Hochkomma bevorzugt wird) hat gegenüber dem eigentlich angeratenen geschützten schmalen Leerzeichen den Vorzug, im Lesefluss nicht so leicht unterzugehen. Eine längere Reihe von Ziffern, die durch schmale Leerräume in ihre Tausenderbestandteile gegliedert wird, gibt meiner Erfahrung nach eher Anlass zu Lesefehlern und -schwierigkeiten. Um der Vorteile einer flüssiger zu lesenden und weniger zu Irrtümern Anlass gebenden Zahlendarstellung willen nehme ich die gerne Bürde auf mich, an einem von den geltenden Regeln eher ignorierten denn gestatteten, überholten Vorgehen festzuhalten.
Das wäre auch ein hochinteressantes Thema für einen neuen Artikel: Wann ist ein großzügiger Umgang mit Regeln vertretbar? Ich bin sicher, fast jeder Gengo-Übersetzer hat einige gute Beispiele für eine bewusst freie Interpretation von Regeln zum Erzielen eines guten Gesamtergebnisses.
Leider werden solche Dinge aber bei den Reviews gerne mal bemängelt! Das mit dem Tausenderpunkt ist mir zwar glaube ich noch nie passiert, aber ich sehe da keinen grundsätzlichen Unterschied zum Beispiel zum Weglassen der Leerzeichen bei "z.B." und "5%". Hier gilt ein Leerzeichen als Satzzeichen wie jedes andere, und wer es weglässt, bekommt Punktabzug.
Wenn ich privat schreibe, mache ich da absichtlich kein Leerzeichen hin. Erstens wird dadurch verhindert, dass ein Zeilenumbruch auftritt, und zweitens sieht es m.E. (sic!) besser aus. Gut, es gibt da noch das geschützte Leerzeichen, das ist mir aber zu umständlich.
Was ich auch sehr gerne mache ist, gemäß der alten Regel bei zwei durch "und" verbundenen Hauptsätzen ein Komma zu setzen. Dieses Komma wird dann gerne mal im zweiten Pass entfernt, dabei ist es ja immerhin nicht verboten und hat, wie ich finde, nur Vorteile.
Ich habe gerade den deutschen Style-Guide gesucht, jedoch nicht gefunden. Gibt es den? Da könnte man solche und andere Fragen entsprechend behandeln.
Wir haben in der Tat einen Stilleitfaden: https://gengo.com/de/translators/resources/style-guide/ - ich denke, es wäre wirklich eine gute Idee, dort auch klare Richtlinien für gerechtfertigte Abweichungen von Regeln aufzunehmen. Viele Verlage haben Hausregeln, die aufgrund spezifischer Anforderungen geringfügige Unterschiede gegenüber den Duden- und DIN-Regeln definieren. Was den gestrengen Lektoren recht ist, kann uns in Maßen durchaus billig sein.
Ich möchte gerne ein kleines Meinungsbild erbitten: Welche Aspekte, die darüber hinaus bislang noch nicht im Leitfaden angesprochen werden, sollten dort außerdem behandelt werden? Alle Anregungen sind willkommen und wertvoll.
Was das Fortlassen der Leerzeichen bei "z.B." und "5%" angeht, gibt es übrigens schon einen nachvollziehbaren Unterschied: Im Deutschen werden die abgekürzten Formen von Wörtern (hier "z." für "zum") weiterhin als Wörter behandelt, und der Punkt, der die Abkürzung kenntlich macht, gilt dann als Teil des so dargestellten Wortes. Auf ein Wort aber muss in einem solchen Zusammenhang ein Leerzeichen folgen, denn man schreibt ja auch nicht "zumBeispiel".
Ähnlich verhält es sich mit "5%": Das Prozentzeichen wird als bloße Variante des ausgeschrieben Wortes "Prozent" behandelt, und da "5Prozent" nicht korrekt wäre, muss auch bei "5 %" ein Leerzeichen erscheinen.
Anregungen für den Leitfaden:
- They als Pronomen für ein Unternehmen. Im Deutschen klingt es oftmals komisch, durch er/sie/es auf ein Unternehmen Bezug zu nehmen, da der Unternehmensname kein eindeutiges Geschlecht hat. Es gibt zwar Ausnahmen wie "die GfK" (die Gesellschaft), andererseits wird soweit ich weiß BMW normalerweise nicht als Plural behandelt (obwohl W für Werke steht). Eine ähnliche Situation ergibt sich bei their vs. ihr(e)/sein(e). Gibt es hierzu eine systematische Antwort? Manchmal scheint der einzige Ausweg ein erneutes Ausschreiben des Namens zu sein.
- Durchkoppelung von Komposita mit mehrteiligen Markennamen: der Coca-Cola-Light-Schriftzug. Eigentlich müsste das zwar klar sein, aber im konkreten Einzelfall kommt man schon mal ins Grübeln, und man sieht es ja auch (leider?) oft ohne Bindestriche, oder nur mit einem Bindestrich nach dem letzten Teil des Namens.